Sommerkrimi
Was man in dem folgenden Video nicht sieht: Alle Video-Aufnahmen entstanden auf der Halbinsel Krim, von der Rußland glaubt, seit ihrer Annexion im Jahr 1783 einen historischen Anspruch auf sie zu besitzen. Zum historischen Vergleich: Georgien wurde zum Ende des Jahres 1800 von Rußland annektiert, aber kein ernstzunehmender Politiker zweifelt heute an, daß Georgien das politische und historische Recht hat, ein von Rußland unabhängiger souveräner Staat zu sein. Warum ist das so?
Im 15. Jahrhundert war das Reich der Goldenen Horde durch innere Zerwürfnisse in drei Khanate zerfallen, das Khanat von Kasan, das von Astrachan und jenes der Krimtataren. Das bot Rußland (und auch Litauen versuchte sich darin) die Chance, die schwächeren Einzelreiche der Tataren zu überwältigen. 1522 eroberte Iwan der Schreckliche das Khanat von Kasan und wenig später das Khanat von Astrachan. Nur das Khanat der Krim konnte sich länger halten, hier erlebte die tatarische Kultur sogar eine letzte Hochblüte, 1571 plünderten die Krimtataren Moskau und zwangen Iwan den Schrecklichen, (den nunmehr letzten) Tribut zu zahlen. Aber Khan Mengli Giraj (1466-1550) wußte die Zeichen der Zeit richtig zu deuten und suchte danach den Schutz des Osmanischen Reiches. Das Khanat der Krimtataren wurde nun zwar halbautonomes osmanisches Protektorat, konnte sich aber als islamisches Reich weiter gegen die christlichen Staaten in seinem Norden behaupten. 1774 schlossen Moskau und Istanbul einen Vertrag, der das osmanische Protektorat über die Krim beendete. Das bot Katharina II. im Jahr 1783 die Möglichkeit das Reich der Krimtataren zu annektieren. Im Gegensatz zur toleranten Haltung Rußlands gegenüber dem Glauben und der Kultur der Wolgatataren begann nun Fürst Potjomkin mit einer massiven Russifizierung der Krim, er beschlagnahmte das fruchtbare Land zugunsten des russischen Adels, übergab auch Land an deutsche, griechische, bulgarische und baltische Neusiedler. Die Tataren wurden ins unfruchtbare Innere der Halbinsel abgedrängt, wo sie kaum die materiellen Mittel zum Überleben erwerben konnten. Viele Tataren emigrierten unter diesem stetig zunehmenden Druck in das osmanischen Reich, Ende des 19. Jahrhundert waren nur noch ca. 35% (von 530.000) der Einwohner Tataren. Die kurze, welklebige Blüte einer zarten Renaissance tatarischer Kultur nach der Gründung der Autonomen Sowjetrepublik 1921, gedacht als revolutionäres Vorzeigeobjekt gegenüber der Türkei, fand ihr Ende mit der stalinistischen Säuberungswelle unter der gesamten tatarischen Intelligenz an der Wolga und auf der Krim in den dreißiger Jahren. Waren 1927 noch 23% der Krimbevölkerung Tataren, so waren es nach der Deportation der Krimtataren nach dem 18. Mai 1944 nur noch 1,9% (Erhebung im Jahr 1989) und 12,1% im Jahr 2001. Ich denke das erklärt, warum sich die Ukraine und Rußland um das Beutestück Krim überhaupt streiten können, ohne das eigentliche Unrecht, das den Tataren seit 1783 angetan wurde, dabei überhaupt in Betracht ziehen zu müssen.
Wer mehr über die geschichtlichen Ereignisse um die Einverleibung der Krim durch Katharina I. erfahren will, sollte den Aufsatz „Katharina die Große annektiert die Krim“ von Prof. Dr. Detlef Jena lesen.
Was man in diesem Video hört: Der Titel 14 „Nebo Hmuroe, Tuchi Mrachniye (Небо Хмурое, Тучи Мрачные)“ der CD „Goi, Rode, Goi!!! (Гой, Роде, Гой)“ (2009) von Arkona – das ist eine russische Pagan-Metal-Band – ist das durchgehende musikalische Band über alle Videoszenen hinweg. Zwischen dem „Trüben Himmel“ und den „Finsteren Wolken“ läßt die Band ein längeres Stück Meeresrauschen mit Vogelgezwitscher auf den verwunderten Hörer los. Da hinein habe ich den Anfang des Titels 10 „Korochun“ (von der gleichen CD) und drei Stücke in verschiedenem Stil – von Folk bis Blasmusik – tatarischer Volksmusik gemischt.
Was man in diesem Video sieht:
Der Musik angemessen: Viele Wolken, die über den Himmel der Krim hetzen, eilen und zuweilen auch gemächlich ziehen. Vor allem aber Film-Aufnahmen der wunderbaren Natur der Krim, ja fast eigentlich nur Meer, Küste, wilde Berge, fruchtbare Landschaften, Wälder, Bade-Strände, hingegen nur wenig Architektur bis auf Aufnahmen aus dem Khanspalst in Bağçasaray, der alten Hauptstadt des Khanats und vom Volksfest Şeker Bayramı in Bağçasaray, dem Fest des Fastenbrechens, mit dem der Ramazan endet.
Ein Teil der Videosequenzen hat übrigens der Blogwart des „Baumes der Erkenntnis„ in einem Video mit dem von ihm bearbeiteten Klavierstück „La vent dans la plaine“ von Claude Debussy unterlegt.