Tanejew, Sergei Iwanowitsch
Der […] „Brahms“ der russischen Musik, Sergej Iwanowitsch Tanejew, ist am 25. November 1856 im Gouvernement Wladimir geboren. Er war der Lieblingsschüler Tschaikowskis am Moskauer Konservatorium, wo er dann als Kompositionslehrer sein Nachfolger wurde.
Tanejew war ein kultivierter Meister, ein ausgezeichneter Theoretiker und beherrschte den Kontrapunkt wie kaum ein russischer Musiker vor ihm.
Beachtenswert sind vier von herber Melodik getragene Symphonien, zwei Kantaten, Kammermusik – Streichquartette, Trios und Klavierquintette. In seiner einzigen Oper „Oresteia“ nach Aischylos – auffallenderweise kein russisches Sujet – bekennt sich der strenge Meister zu einer feierlich monumentalen Form etwa im Stile eines modernisierten Gluck, wobei starke dramatische Höhepunkte zu beachten sind.
Tanejew hat auch zahlreiche musikwissenschaftliche Werke, wohl als einziger unter den russischen Komponisten, in seine Heimatsprache übersetzt. Trotz des eminenten Könnens blieb diesem stillen Meister ein großer Publikumserfolg versagt. Er war zeitlebens nur als der Lieblingsschüler Tschaikowskis abgestempelt, wie überhaupt kein Tonkünstler außer dem letzteren die unbegrenzte Liebe der russischen Volksmassen je gewinnen konnte.
Tanejew starb am 19. Juni 1915 in Moskau. Sein Tod mitten im ersten Weltkriege wurde von der breiten Öffentlichkeit kaum beachtet.
[Alexander von Andreevsky: „Dilettanten und Genies. Geschichte der russischen Musik“]
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