Ich bin
Ich habe mich weiterentwickelt. Wenn ich früher an einem Fremden Ort aufwachte, dachte ich immer zuerst, ich sei zu Hause. Erst allmählich erkannte ich die unbekannten Einzelheiten, die das Tageslicht jetzt offenlegte. Die schweren Hotelvorhänge, der Klotz des Fernsehers, meinen zerwühlten Koffer, die weißen, säuberlich gefalteten Handtücher. Ein neuer Ort tat sich hinter den Vorhängen auf, verschleiert, geheimnisvoll, meistens cremeweiß oder gelb vom Licht der Straßenlaternen.
Dann kam ich in die Phase, die Reisepsychologen als »Ich-weiß-nicht-wo-ich-bin-Phase« bezeichnen. Ich wachte vollkommen desorientiert auf. Wie ein Alkoholiker auf Entzug konnte ich mich nur mit Mühe auf das besinnen, was ich am vorhergehenden Abend gemacht hatte, wo ich gewesen war und wohin es mich verschlagen hatte, nacheinander mußte ich jeden einzelnen Schritt durchgehen, um das Jetzt und Hier einordnen zu können. Je länger diese eigenartige Prozedur dauerte, umso größer wurde die Panik, ein unangenehmer Zustand, ähnlich wie eine Erkrankung des Ohrlabyrinths, die mit einem Verlust des Gleichgewichtssinns und Übelkeit einhergeht. Wo zum Teufel bin ich. Doch die Details der Welt sind gnädig und führten mich schließlich auf den rechten Pfad.
Ich bin in M. Ich bin in B. Dies ist ein Hotel, und das ist die Wohnung meiner Freundin, das Gästezimmer bei Familie N. Ein Sofa bei Bekannten. Solch ein Erwachen war wie ein Abstempeln des Billetts zur Weiterreise.
Die nächste Etappe, die dritte, ist der Reisepsychologie zufolge die bedeutendste, die Krönung, die das letztendliche Ziel darstellt: Wohin wir auch reisen, wir reisen immer darauf zu. »Es ist nicht wichtig, wo ich bin.« Es ist egal, wo ich bin. Ich bin.
Olga Tokarczuk