Ausflug nach Aleppo im Jahr 2006

Dieser Ausflug von Antakya nach Aleppo fand im Jahr 2006 statt; angesichts der zu befürchtenden völligen Zerstörung der Stadt Aleppo hielt ich es für angebracht, die damals gemachten Aufnahmen in einer Bildergalerie am Schluss des Beitrages, nach den beiden Videos über die aktuellen Zerstörungen Aleppos, zu zeigen. Die Musik zu dem Video ist eine MIDI-Bearbeitung des arabischen Liedes „Batwannis beek“, Komponist: Salah El Sharnobi, die ich mit Roland-Soundmodul TTS-1 auf meinem PC produziert habe.

Bilder und Video zeigen eine Stadt, die schon damals, vor den Zerstörungen durch den Bürgerkrieg, ziemlich herab gekommen war, aber das waren die Städte in der ehemaligen DDR auch. Sie konnten trotzdem nach der „Wende“ saniert, also gerettet werden. Das hätte auch in Aleppo passieren können, wenn die arabische Revolution ähnlich friedlich wie in der DDR oder wenigsten so wie in Tunesien verlaufen wäre.  Aber das wurde wohl durch zu viel Fundamentalismus auf allen Seiten, der naturgemäß zu Uneinigkeit der „Revolutionäre“ führen musste  und ganz wesentlich durch äußere Einmischung vereitelt.

Dabei sah die weitere Entwicklung der Beziehungen zwischen der Türkei und Syrien 2006 noch ganz hoffnungsvoll aus, die Türkei und Syrien hatten trotz des Zankapfels „Hatay“ Anfang 2006 die Grenze auch für ausländische Touristen geöffnet, die nun aus der Türkei direkt nach Syrien einreisen konnten. Das wurde für uns im April 2006 trotzdem eine Reise mit Hindernissen – obwohl alle notwendigen Formalitäten erfüllt waren, mussten wir auf der türkischen Seite fast zwei Stunden warten, bis geklärt war ob und wie wir die 2 km lange exterritoriale Zone (gehört aber staatsrechtlich wohl noch zur Türkei) zwischen der syrischen und der türkischen Grenzabfertigung passieren können. Schließlich durfte uns unser Kleinbus dann endlich von der türkischen Seite, Cilvegözü Sınır Kapısı, bis an die syrische Seite, Bab Al Hawa, fahren, dort nahm uns dann der syrische Reiseleiter in Empfang. Rückwärts ging das am Abend nicht mehr, da inzwischen  die Straße in der exterritorialen Zone durch Fernlaster blockiert war, die teilweise tagelang auf die Abfertigung warten mussten, also gingen wir die 2 km zu Fuß. Es war aber zum beindruckenden Erlebnis darüber, wie sich die Fahrer die tagelange Wartezeit verkürzten. Nun verstanden wir auch, dass der Brotverkauf der türkischen Kinder aus Cilvegözü ein lohnendes Geschäft sein kann: die Fahrer mussten sich ja selbst verpflegen und das ging nur mit Hilfe dieser fliegenden Händler.

Als gelernter DDR-Bürger hat mich der teilweise trostlose Zustand der Häuser Aleppos nicht wirklich erschüttert, ähnliches architektonisches Elend kannte ich ja auch aus der DDR. Faszinierend und vor allem sympathisch fand ich hingegen das fröhliche, ja fast weltliche Treiben der  Syrer in der Ummayaden-Moschee. Die Moschee war ganz offensichtlich ein kultureller Mittelpunkt des Lebens der Menschen Aleppo, so wie das auch noch für die christlichen Kathedralen im Mittelalter galt. In und auch im Hof der Moschee konnte man sich „in Familie“ ergehen, ein Schläfchen machen, sich von weisen Männern bei alltäglichen Problemen beraten, den Koran auslegen und religiös unterrichten oder einfach nur die Seele baumeln lassen, Freunde treffen und ein Schwätzchen halten. Nur waren vorher die Schuhe auszuziehen und die Füße zu waschen; die Frauen hatten den Kopf mit einem Tuch zu bedecken, was mich allerdings nicht weiter befremdete, denn noch in meiner Jugend ging auf dem Dorf auch keine Frau ohne Kopftuch auf die Straße oder in die Kirche. Allerdings: kurze Hosen in der Moschee, das geht ja nun gar nicht, das ist so unschicklich wie nackt herum zulaufen.

Im Souk (Basar) ging es allerdings doch noch geselliger als in der Moschee zu. Also dieses pralle Leben kannte ich ja nun gar nicht aus den langweiligen Kaufhallen in Deutschland, in denen man den zwar notwendigen, aber doch lästigen Einkauf möglichst schnell erledigen möchte. Das gelingt in einem arabischen Souk ganz und gar nicht, dort wird man immer in ein Gespräch über dies und das oder doch wenigstens über die Preis der Waren, der Verhandlungssache ist, verwickelt. Einfach Ware nehmen, Geld rüberreichen und verschwinden gilt als extrem unhöflich. Wenn man den ganzen Tag in seinem Laden sitzen muss, dann wird es, das versteh ich ja, mit der Zeit auch langweilig, dann will man sich mit den Kunden unterhalten, Neues erfahren,  oder doch wenigsten den wesentlichsten Teil, wenn schon nicht alle Waren, dem Kunden schmackhaft machen und anpreisen, dafür sitzt man ja im Laden!

Beeindruckend und auch von Einheimischen gut besucht war die Zitadelle Aleppos, die auf einem Hügel errichtet wurde, auf der Erzvater Abraham schon seine Schafe geweidet haben soll. Im Christenviertel Aleppos gibt es auch zwei bei Touristen beliebte Häuser, das Beit Wakil, ein sehr schöner Hotel (dessen originale  Inneneinrichtung im Pergamon-Museum Berlin zu bestaunen ist) und das Beit Sissi, in dem die östrereichische Reisekaiserin Sissi einst Station machte. Das Nationalmuseum war eine weitere Station unseres Besuchs in Aleppo, im Inneren durften wir allerdings nicht fotografieren.

Die Zitadelle, vor allem deren Eingangstor, ist durch die aktuellen Kämpfe stark beschädigt, der Souk ausgebrannt, die Moschee weitgehend zerstört. Was sich die Fundamentalisten jeglicher  Couleur dort momentan an Barbarei leisten, kann man im Bericht über die Eingeschlossenen von Aleppo nachlesen, man muss sich also nicht wundern, wenn die Menschen, die noch die finanziellen Mittel dazu besitzen, aus fast unbewohnbar gewordenen Städten bis nach Europa fliehen, es wäre von uns unmenschlich ihnen nicht helfen zu wollen. Das folgende deutsche Video zeigt das schwierige Leben der Kinder im Krieg um Aleppo

 

Die Bildergalerie von 2006:

 

Ein Kommentar

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

achtzehn − 2 =